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Goethes Erben Special - Teil 1

Im Folgenden unternehme ich den Versuch, die Geschichte von Goethes Erben ein wenig tiefer zu durchleuchten. Es hat sich im Laufe der letzten 16 Jahre ein vielseitiges Schaffen von Oswald Henke, Mindy Kumbalek & Co. gezeigt. Zwischen dem Debütalbum „Das Sterben ist ästhetisch bunt“ und dem zuletzt erschienenem Werk „Nichts bleibt wie es war“ liegen Welten und doch nur wenige Schritte. Diese Ausnahmeband ist unglaublich facettenreich und bricht immer wieder thematische, wie auch musikalische Tabus. Ostern 2004 haben die Erben mit dem Musiktheaterstück „Schattendenken“ wieder die Bühnen erobert und ein staunendes Publikum zurückgelassen. Aber beginnen wir erst mal von vorne...

Oswald Henke und Peter Seipt haben sich während ihrer Ausbildung zum Krankenpfleger kennen gelernt, als sie im selben Krankenhaus gearbeitet haben. Peter war zu dem Zeitpunkt bereits musikalisch aktiv und spielte auch in einigen Bands. Oswald wollte etwas realisieren, was die deutsche Sprache in den Mittelpunkt stellen sollte und da er sich selbst für keinen großen Komponisten gehalten hat, wurde die Musik von Peter für ihn komponiert (Oswald: „Irgendwann bin ich auf die Idee gekommen, Peter für mich zu vereinnahmen“). Das muss 1989 für die Zimmernachbarn etwas befremdlich gewirkt haben; die ersten Stücke waren „Das Ende“ („Wenn das Meer sich blutrot färbt, - der Himmel von schwarzen Wolken bedeckt ist - und die Vögel aufgehört haben zu singen - weil ihre Kehlen vom Öl verklebt wurden“) und „Der Spiegel“ („Ich schau in den Spiegel - Der Spiegel zerbricht - Die sanfte Form verändert sich - Zum Chaos ohne Sinn“). Die Urversion von „Das Ende“ bestand eigentlich nur aus Schreien und bei „5 Jahre“ („Die Enge macht uns alle fertig, - wir sind am Ende nicht nur geistig. - Mit der Psyche zerfällt der Körper - Das Gehirn wird somit zum Mörser, - der wirres Zeug durch die Sinne schießt, - aus dem neuer bunter Wahnsinn sprießt“) hat sich oftmals die Zimmernachbarin beschwert, was denn eigentlich los sei. Der Geburtsort von Goethes Erben befand sich also in einem Keller.

Als Erstes wurden zwei Tapes mit dem Namen „Der Spiegel, dessen Weg durch stumme Zeugen zum Ende führt“ sowie ein Live-Tape 1990 auf Danse Macabre Records veröffentlicht.

Bald zeichnete sich bereits der Ausstieg von Peter Seipt ab (im Juli 1990). Peters eigene Band, „The Seer“, machen irischen Rock und das ist musikalisch schon ein weiter Weg zu Goethes Erben. Vor dem ersten Konzert hat er angekündigt, dass er diesen Auftritt noch mitmacht, aber ihm waren die Leute einfach zu unheimlich (Anm. d. Verf.: kann ich gar nicht nachvollziehen, wir Schwarzen sind doch das blühende Leben schlechthin ...). Peter ist heute mit „The Seer“ recht erfolgreich und häufiger mal im Fernsehen zu sehen (Oswald: „Und wir dürfen da nie auftreten, aber das ist egal ...“).

Laut Oswald war Peter äußerst offen und konnte, ähnlich wie anschließend Mindy, seine musikalischen Gedanken lesen. Oswald benutzt Musik eher als Klanginstrument und baut daraus Kollagen und ein Klangbild. Peter konnte und Mindy kann Oswalds Lyrik in Melodien fassen.

Mindy Kumbalek und Conny R. waren seit den alten Tapes die ersten Fans von Goethes Erben. Die Drei haben sich damals in der Diskothek Etage in Bayreuth kennen gelernt. Oswald stand durch den Ausstieg von Peter allein auf weiter Flur und hat nur textlich und im Studio an neuen Sachen gearbeitet. Zu dieser Zeit ist z.B. ein Stück wie „Flüstern“ entstanden (Oswald: „so richtig was Schräges, ich bin immer zuständig für das Schräge“). Im Februar 1991 formierten sich die Erben wieder als Gruppe und wurden zum Trio. Mindy (Keyboards, Schlagzeug, Saxofon) und Conny (Gitarren) ergänzten Oswald damals. In den Anfängen war Mindy noch Schlagzeugerin (Mindy: „kultig schlecht war ich!“). Um es mit Oswalds Worten zu sagen: „Wir waren eine kultig schlechte Gruppe. Ich denke nur an unser erstes Konzert in der neuen Besetzung ... die Leute - und auch wir - fanden es zu der damaligen Zeit gut, aber wir waren, im Nachhinein betrachtet, echt schlecht. Es gibt aus der Etage ein Live-Tape, welches nur ganze 100 Mal existiert, da ist auch die Urversion von ‚Pascal lacht' drauf. Das ist so schlecht, das kann man sich gar nicht vorstellen, aber dadurch ist es schon wieder gut gewesen“. Mindy klebt sich auch heute noch manchmal Punkte auf ihr Keyboard, damit sie die richtigen Töne findet (wie die Legendary Pink Dots, die damals auf ihrem Keyboard immer die legendären Punkte geklebt haben).

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