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Goethes Erben Special - Teil 2

Heute kommen wir zum zweiten Teil der Geschichte von und über Goethes Erben. Es gibt auch dieses Mal wieder Einiges zu erzählen.

Die Trilogie behandelte das Sterben, den Traum und danach die Psyche. Diese drei Themenkreise wurden bei der „Leben im Niemandsland“ noch mal zusammengefasst. Bei „Blau“ stand der Fluchtgedanke im Vordergrund, bei „Schach ...“ eher die Suche nach Gefühlen.

Die „Kondition: Macht!“ enthält reichlich Anspielungen unterschiedlichster Glaubensbekenntnisse, die interpretiert werden wollen...

Letztlich bedeuten diese Textpassagen dass man die eigenen, oft nicht reflektierten Glaubensbekenntnisse (weil vermeintlich selbstverständlich) hinterfragen sollte. Die religiösen Themen kommen sowohl unterschwellig, als auch provokativ vor.

Durch die Zusammenarbeit mit anderen Leuten hat sich der musikalische Horizont der Erben erweitert. Ein wichtiger Punkt in dem Leben der Erben war Vladimir Ivanoff, der das Denken über den Tellerrand hinaus gefördert hat. Der erste Kontakt mit ihm war bei „Leben im Niemandsland“ und auch „Blau“ hat er produziert.

„Blau“ ist, obwohl größter Flop in der Laufbahn von Goethes Erben, das persönliche Lieblingsalbum von Oswald, während Mindy das Album nicht so mag. Sie liebt „Schach ist nicht das Leben“, welches Oswald wiederum nicht so mag. „Kondition: Macht!“ brachte beide Komponenten zusammen. Aber gerade dieser Kampf, diese Gegensätze zwischen Oswalds Lärm und Mindys schönen Melodien ist eine gute Kombination und macht die Erben aus.

Nur, wer die „Blau“ liebt, kann Goethes Erben verstehen. „Schach ist nicht das Leben“ ist musikalisch mehr ein Mindy-Album, während Oswald eher die Musikalität bei „Blau“ dominiert hat, also eher das Schräge und Abgefahrene.

Die „Blau“ wurde hauptsächlich von Oswald, Troy und Vladimir Ivanoff geschaffen. Schon bei den Aufnahmen in München wussten die Erben, dass keiner das Album hören will, aber es hatte ihnen einfach gefallen, mit diesen komischen, schrägen Elementen zu arbeiten. Der Cellist Harald Lindemann blieb dann auch von vornherein zu Hause, weil man im Studio diese Sterilität haben wollte. Live durfte er dann aber mitspielen.

Oswald glaubt, dass dieses Album nur ganz, ganz Wenige verstehen und wer es versteht, dem zollt er seinen vollen Respekt. Bei dem „blauen“ Album kann man nicht mal eben in der Diskothek ein Lied spielen oder die CD kurz durchhören; jedes Stück ist ein Teil des Ganzen. Es ist ein Hörspiel und man muss es als Ganzes anhören oder man lässt es, ansonsten läuft man Gefahr, das Album nicht zu verstehen.

Die Reaktion auf das „blaue“ Album hat die Band damals enttäuscht, weil sie überzeugt waren, dass das Publikum mitgeht. Stattdessen hat das Publikum nach dem Konzert gefragt, wo die Kerzen sind. Für die Erben steht das, was sie inhaltlich vermitteln wollen, im Vordergrund. Die Sache mit den Kerzen und Kerzenständern war ein Kapitel bei Goethes Erben. Überraschend, aber wahr, dass ausgerechnet das „Blaue“ Album von der Presse die besten Kritiken bekommen hat.

Die Erben ruhen sich nicht auf ihrem Erfolg aus, vielmehr entwickeln sie ihr künstlerisches Schaffen immer weiter. Obwohl die Leute die „Schach ist nicht das Leben“ geliebt haben - „Kondition: Macht!“ war wieder was völlig Anderes und Neues.

Dennoch wissen Oswald und Mindy ganz genau, dass die Fans alte Stücke hören wollen und das ist auch der Grund, weshalb sie auf Festivals auftreten. Dort spielt die Band vorwiegend ältere Stücke und das Programm ist nicht so streng zusammengestellt. Das liegt z.T. auch daran, dass es auf Festivals nicht möglich ist, z.B. Stücke aus „Kondition: Macht!“ zu spielen, bei denen es nur Dialoge zwischen Oswald und einer zweiten Schauspielerin oder reine Tanzpassagen gibt. Auf Festivals gibt es alles: harte Gitarren, reine Klavierballaden, etwas mit Tanz oder etwas auf Rock 'n' Roll. Ein Festivalauftritt fängt z.B. mit einer Klavierballade an, obwohl vorher eine Metalband gespielt hat, aber die Erben kümmert so was nicht wirklich. Sie versuchen immer wieder, den Fans eine Überraschung zu bieten und schaffen somit Auftritte, die komplett aus dem Rahmen fallen – auch innerhalb ihrer eigenen Tour.

Besonders gut blieb ihnen ein Konzert im September 1995 im Zeiss-Planetarium in Jena in Erinnerung. Es muss ein wahnsinniges Gefühl gewesen sein, auf der Bühne zu stehen, auf der im Hintergrund ein 10 Meter hoher Mond aufgeht (Oswald: „Das war das Konzert für uns. Ich habe da gesprochen und meine Musiker wurden immer langsamer. Ich drehte mich um und da war dieser riesige Mond. Das war phänomenal. Du denkst, du stehst wirklich im Weltall.“). Dieser Auftritt hatte leider auch seine Kehrseite, da sich später ein Überfall von Rechtsradikalen ereignet hat. Eigentlich wollten sie jedes Jahr einmal im Planetarium spielen, aber durch den Überfall wurde ein Schaden von 10.000,- DM verursacht und keine Versicherung kam dafür auf.

Auch wenn das Live-Erlebnis dieses Konzertes unbeschreibbar war, kann ich jedem, der die Möglichkeit hat, nur empfehlen, sich die CD „Live im Planetarium“ anzuhören.

Leider war dieser Mitschnitt nur auf 1.000 Exemplare limitiert und nicht im Handel erhältlich. Auf „Live im Planetarium“ wurde „Sitz der Gnade“, Goethes Erbens Cover-Version von Nick Caves „Mercy Seat“, veröffentlicht. Wer sich nur „Sitz der Gnade“ anhören will, hat es etwas schwer, da alle 5 Songs der Live-CD in einem einzigen Stück verpackt wurden. „Sitz der Gnade“ erschien 1997 dann doch als EP, u.a. mit dem ziemlich schrägem Song „AbsuriSTAN“.

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