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Noch während „Schach ...“ aufgeführt wurde, schrieb Oswald an dem bisher größten Theaterstück „Kondition: Macht!“. Lange vor der Uraufführung Ostern 1998 im Urania in Berlin hing bei Oswald über der Tür ein Plakat, auf dem lediglich „Kondition: Macht!“ stand. Es gab vier Aufführungen, die so gut wie ausverkauft waren. Die Vorbereitungsphase von „Kondition: Macht!“ dauerte ganze 9 Monate. Es gab sogar eine Co-Regisseurin, Susanne Knapp, die sich vor allem um die Feinheiten in den Schauspielszenen gekümmert hat. Aus Kostengründen war mit dem Stück keine ausgedehnte Tour möglich und ich kann wirklich nur jeden der Goethes Erben mag, bedauern, wenn er bei dieser Uraufführung in Berlin nicht dabei gewesen ist. Die Aufführung von „Kondition: Macht!“ war überwältigend. Alleine das liebevoll gestaltete Bühnenbild hatte schon mehr als ein großes Lob verdient. Am Eingang wurden kleine, selbstklebende Spiegel verteilt, auf denen das Logo des Magazins „Der Spiegel“ prangte. Diesen Spiegel sollte man sich an den Körper kleben, damit das „weiße Licht“ durch den Spiegel reflektiert wird und der Zuschauer dadurch geschützt die Aufführung genießen kann. Zudem erhielt jeder Besucher schriftliche Reisebedingungen mit den Ge- und Verboten sowie einer kleinen Einführung in das Stück.

„Kondition: Macht!“ stellte ein Wendepunkt in der Geschichte von Goethes Erben dar, sie sind über ihren eigenen Schatten gesprungen. Es gab Stücke, die kein Keyboard benötigten und Songs, die keiner Stimme bedurften. Eine zweite Schauspielerin (Sigrid Beierkuhnlein) hat eine zweite Sprechrolle bekommen.
Auch die Arbeitsweise war bei „Kondition: Macht!“ anders.

Bei „Schach ist nicht das Leben“ haben Oswald und Mindy mehr oder weniger getrennt gearbeitet. Oswald gab Mindy die Texte und sie hat ¾ des Albums musikalisch untermalt. Bei „Kondition: Macht!“ haben die beiden fast alles gemeinsam gemacht. Beim Schreiben von „Kondition: Macht!“ lag die Priorität bei der Live-Inszenierung und nicht beim Tonträger. Oswald und Mindy haben beim Schreiben genau beachtet, was die Tänzerinnen von Ombra Ballare, die Schauspieler, der Einzelne macht. Jeder Musiker hatte auf der Bühne eine Funktion, eine Rolle. Selbst bei den stummen Rollen wurde auf jede Kleinigkeit geachtet. Alle Akteure auf der Bühne wurden konzeptionell in das Stück eingebunden. Es war eine hervorragende Leistung, die Rollen innerhalb des Theaterstücks einzuführen, weil nicht jedes Instrument in jedem Stück gespielt wurde.

Vor diesem Stück war man CD-orientiert, die Erben wussten, sie bringen eine CD raus und da die Sprache im Vordergrund steht, war kein Platz für Instrumentalstücke. Durch das Theaterstück wurde erstmals das Visuelle in den Vordergrund gestellt. Es war erst mal nebensächlich, wie das Ganze auf einer Platte rüberkommt, Hauptsache war, dass es auf einer Theaterbühne gut zusammenpasst.
„Kondition: Macht!“ ist eine Zeitreise, in der der Zuschauer zum reisenden Beobachter einer noch nicht existierenden Zukunft wird. In dieser Aufführung wird die Geschichte des Rebellen weitererzählt. In einer fernen Welt, irgendwann und irgendwo, hat die Maschine zur Sicherheit des Menschen die Macht über diese übernommen. Die Menschen wurden entmündigt und dürfen nur noch paarweise auftreten. Das absolute Versammlungsverbot wird von der Kontrollinstanz der Maschine - dem weißen Licht - überwacht. Mit Hilfe des Spiegels kann sich eine kleine Gruppe von Abtrünnigen unter Führung des Rebellen der Überwachung durch die Maschine und ihrer Allmacht entziehen. Der Spiegel reflektiert das weiße Licht und es sieht nur sich selbst. In diesem Machtvakuum baut sich der Rebell die Keimzelle einer neuen Macht im Staat auf. Das Spiel um Macht ermöglicht es, die unterschiedlichsten Facetten darstellender Kunst miteinander zu verbinden. Alles ist Macht, sie kann manipulieren und beeinflussen - aber auch ordnen und führen. Ausschlaggebend ist lediglich, wie sie eingesetzt wird. Die menschliche Fantasie siegt anfänglich über die kalte Logik der Maschine, letztlich scheitert der Mensch jedoch an seiner Eifersucht und seinem Egoismus. Die Maschine schickt ihre Schergen, die Kabelwesen aus, damit die Abtrünnigen selbst zu Kabelwesen werden. „Ist Macht böse? Ist das Böse Macht? - Ist Macht Glaube? Ist Glaube Macht? - Ist Macht Wissen? Ist Wissen Macht? - Ist Macht Alles? Ist Alles Macht? “ aus dem Titelstück „Kondition: Macht!“.

Wie schon bei „Schach …“ ist die Musik sehr ausgefeilt, vielfältig sowie melodieorientiert.

Man konnte schon den Eindruck bekommen, dass Goethes Erben größenwahnsinnig geworden sind; vielleicht ist es gerade das, was den Reiz an diesem Ensemble ausmacht. Zum Abschluss gab es von einem begeisterten Publikum wohl verdiente Standing Ovations.

Im August 1998 erschien dann erstmalig ein Tonträger aus dem Theaterstück in Form der MCD „Marionetten“ („Ohne Weitsicht blind vor Lust — die trüben Auge sehen nur – im Traum gewünschte Welten “, „Einsamkeit als Zweisamkeit “). Im September wurde dann das auf 2000 Exemplare limitierte Doppel-CD-Album „Kondition: Macht! – Das Musiktheaterstück“ veröffentlicht. Hier wurde die gesamte Inszenierung auf CD gebannt und es wurden alle Texte sowie zahlreiche Fotos mit veröffentlicht. Dieses aufwendig gestaltete Album richtete sich vor allem an die Zuschauer der Uraufführung.

Anfang 1999 kam dann das „reguläre“ „Kondition: Macht!“-Album. Hierauf ist allerdings nur eine Auswahl der Stücke des Musiktheaters enthalten.

Im Herbst 1998 wurde die „... Niemandsland“ auf vielfachen Wunsch der Fans wieder auf die Bühne zurückgebracht. An vier Abenden kehrten die Kerzen wieder zurück und es wurde das Material der „Leben im Niemandsland“ aufgeführt. Den Fans, welche Goethes Erben erst nach der „... Niemandsland“ kennen gelernt haben, wurde damit die Möglichkeit gegeben, auch die frühere Seite künstlerischen Schaffens live zu erleben.

Zum 10jährigen Jubiläum wurde 1999 eine ausgiebige Tour veranstaltet und es erschien die Jubiläumsbox „Goethes Erben – 10 Jahre“, welche auf 1.000 Exemplare limitiert war. In dieser Box befanden sich die CDs „Gewaltberechtigt“ und „Kondition: Macht!“ sowie die Live-CD „Rückkehr ins Niemandsland“. Das Cover-Artwork des Booklets war sehr liebevoll gestaltet, es gab sehr viele Fotos.

Für den Sommer 2000 planten die Erben ein neues Musiktheaterstück, welches „Zwischen Eins und Drei ist Nichts“ heißen sollte. Die Aufführung sollte in dem Markgräflichen Opernhaus in Bayreuth stattfinden. Dieses Projekt ist leider aus finanziellen Gründen gescheitert und wurde erst mal auf unbestimmte Zeit auf Eis gelegt.

Zu weiteren drei Aufführungen von „Kondition: Macht!“ luden die Erben im Rahmen der Erben-Festspiele im September 2000 in das Zentrum in Bayreuth ein. Die zweite Sprechrolle wurde diesmal von Juliane Ihl (Erblast, Jungschnecken) gespielt. Etwas wehmütig waren diese Aufführungen schon, da Ombra Ballare mit diesen Aufführungen ihren Ausstand bei Goethes Erben gegeben haben. „Kondition: Macht!“ fand in Bayreuth in einem wesentlich kleineren Rahmen statt und es wirkte intimer, als seinerzeit in Berlin. In Berlin wurde der Zuschauer beinah durch die Größe des Uranias erschlagen, aber ich kann bis heute nicht sagen, welche der beiden Aufführungen mir besser gefiel. Sowohl die bombastische Bühne im Urania als auch die intime Atmosphäre im Zentrum hatten ihren Reiz.

Im Jahr 2000 wurden drei Live-Picture-Vinyl-LPs mit den Namen „Bittersüß & Schmerzvoll“, „Königlich & doch rebellisch“ sowie „Gewalttätige Gedanken“ veröffentlicht. Diese Picture-Vinyls waren jeweils auf 500 Exemplare limitiert. Auf diesen LPs wurden Live-Versionen diverser älterer Stücke aus den Jahren 1992 – 1999 publiziert.

Auf „Gewalttätige Gedanken“ befinden sich die Live-Versionen von „Nichts bleibt wie es war“ und „Rotleuchtende einst weiße Engel“, die als reguläre Stücke erst 2001 erschienen sind. Auch auf den anderen beiden Vinyls befinden sich drei „Leckerbissen“, die bis dahin nur live gespielt wurden: „Es ist absurd zu denken“, „Schwarz/Weiߓ und die 10minütige Live-Version von „Voodoo“. Diese drei LPs haben die Herzen der Fans damals höher schlagen lassen.

Zum Abschluss des ersten Teils dieses Berichts machen wir einen riesigen Sprung in die Gegenwart. Im Oktober 2005 erscheint die neue CD „Dazwischen“, welches eine reine CD-Veröffentlichung ist. „Dazwischen“ ist etwas Eigenständiges mit verdichteten Elementen aus „Schattendenken“, jedoch ist es nicht „Schattendenken“ selber. Es ist als abgeschlossenes Kapitel anzusehen. Am 08.10.05 gibt es im „Nerodom“ in München eine Releaseparty zum neuen Album. Bei dieser Releaseparty werden Teile der Band, u.a. Oswald Henke, persönlich anwesend sein.

Die DVD „Schattendenken“ wird 2006 erscheinen. Hierzu aber später mehr.

Auf den diesjährigen Dark-Storm-Festival am 26.12.2005 in Chemnitz werden die Erben live zu sehen sein.

Michaela Paarmann

Dies ist der erste Teil eines 3teiligen Goethes Erben-Specials, welcher in der Gothic Nr. 51 erschienen ist.


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