27.06.1998 Bad Nauheim (Summertime ´98 Open Air)

Die Überschrift könnte lauten "Ein Nachmittag in der Wetterau" - so heißt der Landstrich, in dem der kleine (Senioren-)Kurort Bad Nauheim liegt. Für gewöhnlich ein unscheinbarer Ort, der den ein oder anderen landschaftlichen Reiz, sonst aber wenig Attraktives zu bieten hat.
Nach dieser Einleitung kann man sich denken, daß es erst recht ungewöhnlich ist, wenn Goethes Erben dort als Headliner eines Open Airs angesagt sind, zumal auch noch kostenlos. Eingeladen hat der Stadtjugendring, der sein 25jähriges Bestehen feierte. Austragungsort war der Burgplatz, so eine Art kulturelles Zentrum der Stadt. Nicht, daß man das falsch versteht: Es handelt sich dabei keineswegs um eine riesige Freifläche, die tausende Leute aufnehmen könnte, sondern um eine Art "Dorfplatz", deren markantester Punkt eine irische Kneipe ist.
Entsprechend bunt war das Publikum - selbst einige Kurgäste schienen sich dorthin verirrt zu haben.
Die Bands, die vor den Erben spielten, waren wenig erwähnenswert. Die potentielle Käuferschicht von Kaktus Interruptus z. B. ist zum Leidwesen der Band noch nicht mit der nötigen Kaufkraft ausgestattet, um sich die CDs der Band leisten zu können: Dies waren nämlich in erster Linie 2- bis 3jährige, die noch am meisten mit dem angepunkten 70er-Sound mitgingen.
Ladybird versprachen eine Kooperation von Merzbow (einem japanischen Noise-Industrial-Projekt) via Internet aus Tokio zugespielt. Ein S/W- und ein Farbfernseher liessen auch in der Tat so etwas wie ein Konzert erahnen, einen Ton gab es aber leider nicht. Der kam in Form von 80er-Jahre-Coverversionen von Ladybird (u.a. "25 Years" von The Catch und "Baby Jane" von Rod Stewart!). Die wollte nur leider keiner hören. Und auch die kleinen Showeinlagen (Konfetti und mit Wunderkerzen in Brand gesteckte Luftschlangen) hoben das Niveau weniger.
Doch da kam ja noch diese Band aus Bayreuth, die mit dem Song "Kondition: Macht!" das Ende der Berlin-Aufführungen zum Beginn des Festival-Auftritts in Bad Nauheim werden ließ, um anschließend eine kunterbunte (darf ich das hier schreiben?) Reise durch sämtliche Erben-Veröffentlichungen anzutreten, u.a. mit den Hits "Zinnsoldaten", "Märchenprinzen", "5 Jahre", "Das Ende" und auch mal wieder "Der Spiegel". Die Stimmung war sehr locker und Oswald zu Scherzen aufgelegt. Seit langem mußte er mal wieder mit einem Kabelmikro kämpfen (was ihm nicht sonderlich viel Freude bereitete wie ihr Euch vorstellen könnt). Auch die bereits bekannten "Showeinlagen" durften nicht fehlen: die "Kondom-Banane" und der Wackel-Pudding zu "Begrüßende Worte" sowie Kerzen für die rund 100 Zuschauer bei "Die Form".
Mit von der Partie waren auch die meisten Musiker der "Kondition: Macht!"-Aufführungen, lediglich Troy konnte das Konzert vom Publikum aus verfolgen, da ein anderer Gitarrist seinen Part übernahm. Ballett gab es keins, dafür wäre aber auch kaum Platz gewesen auf der kleinen Bühne.
Angesichts des kleinen Rahmens, in dem das Konzert stattfand, eine doch recht gelungene Veranstaltung, selbst wenn Goethes Erben auch diesmal wieder keine neuen Hörerschaften erschlossen haben dürften.

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