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Man wirft uns ja immer wieder vor, daß wir immer das Gleiche machen würden. Ich weiß zwar nicht, was "Abseits des Lichtes" mit "Fünf Jahre" zu tu haben soll oder "Fünf Jahre" mit "Ich möchte nicht länger" oder das zweite Album mit dem ersten. Das sind meines Erachtens nach himmelweite Unterschiede, aber manche Leute sehen das eben nicht so, aber das ist deren Entscheidung. Viele schalten auch schon bei dem einfachen Titel "Das Sterben ist ästhetisch bunt" ab. Wir sind einfach nur schwarzgekleidete Menschen, die auch eine gewisse Lebenseinstellung haben. Ich denke, wir können das, was wir in unserer Musik ausdrücken, auch in unserem Leben repräsentieren, was viele Leute wahrscheinlich nicht können.

Wir arbeiten bei der nächsten Tour mt Vladimir Ivanoff, einem sehr bekannten Produzenten aus dem Bereich der Weltmusik, zusammen und wahrscheinlich werden wir mit ihm auch die eine oder andere Komposition für das vierte Album einspielen. Ich denke, daß sich diese Zusammenarbeit musikalisch sehr fruchtbar auswirken wird, so daß wir auf der vierten CD sicherlich in eine harmonische Richtug tendieren werden, um dann sicherlich wieder ein paar schräge Einlagen einzufügen. Aber die Musik wird kompositionsmäßig sehr viel dichter gewoben werden. Er ist ein Mensch, mit dem wir uns auf Anhieb verstanden haben."

Bei allem, was mit Goethes Erben zu tun hat, ist Oswald nach eigener Aussage ein Perfektionist, bei privaten Angelegenheiten wie Steuer oder Krankenkasse jedoch ein Chaot. Dinge, die außerhalb von Goethes Erben passieren, interessieren ihn relativ wenig.
Er ist mit seinem Leben einigermaßen zufrieden und kann sich auch sonst nicht beklagen. "Für Goethes Erben läuft es zur Zeit ganz gut. Wir dürften mittlerweile vom Bekanntheitsgrad her so ziemlich das erreicht haben, was man mit dieser Art von Musik erreichen kann. Also ich denke, viel mehr wird nicht mehr drin sein."

Ein großer Wunschtraum von ihm ist, irgendwann auf einer richtigen Theaterbühne zu stehen und echtes Tehater zu spielen - pures Theater, ohne Musik - einfach um auszuprobieren, ob er dazu überhaupt fähig ist. (Wer schon einmal ein Erben-Konzert gesehen hat, dürfte in dieser Hinsicht wohl kaum Zweifel hegen.) Er hat zwar schon etwas Erfahrung in diesem Genre, jedoch nur im Amateurbereich und wenn überhaupt, dann soll es schon richtig professionell aufgezogen sein. Reizen würden ihn klassische Rollen wie "King Lear" und Goethes "Faust" oder etwas von Dürrenmatt und Kishon, aber durchaus auch etwas Modernes. Was er nicht spielen würde, wäre irgendwelches komisches Volkstheater, denn das ist absolut nicht sein Ding. Man stelle sich mal bildlich vor : Oswald zusammen mit Heidi Kabel oder Willy Millowitsch auf einer Bühne...

Wenn er an einen völlig einsamen Ort auswandern müßte, wäre genug Papier und etwas zu schreiben das Allerwichtigste. Mindy würde er ebenfalls mitnehmen, damit sie zusammen weiterarbeiten könnten. Darauf hingewiesen, daß man dann ja nie mehr etwas veröffentlichen könne, antwortet Oswald : "Ich denke, daß ist für uns gar nicht mal so wichtig. Wir könnten auch gut damit leben, wenn wir für uns selbst unsere Musik machen würden. Wir haben soviele Stücke, die keiner kennt." Hier hakt Mindy ein : "Das, finde ich, macht am meisten Spaß. Einfach hier sitzen und etwas komponieren. Das macht mir viel mehr Spaß, als Studioarbeit oder Konzerte, wenn ein Stück entsteht. Wenn wir zusammenarbeiten und dann paßt am Schluß alles zusammen, Text und Musik, das ist ein schönes Gefühl." - "Das sind eigentlich auch immer die besten Stücke, wenn wir sie wirklich absolut zusammen erarbeiten und komponieren. So wie das Stück "Bunter Rauch", das kommt auf das dritte Album. Das ist einfach ein Stück, da steckt sehr viel drin. Da haben wir möglichst viele unterschiedliche Aspekte eingebracht, haben es genauso aufgebaut, wie der Text, und das Stück ist einfach sehr gut geworden. Es gefällt uns zur Zeit persönlch am besten. Es gibt andere Sachen, die uns auch gut gefallen, aber die alten Stücke werden dann langsam zur Routine.

Wir werden auch mit Sicherheit, wenigstens bei den nächsten Konzerten, Stücke wie "Iphigenie" und "Fünf Jahre" nicht mehr spielen, weil wir die einfach nicht mehr hören können. Das ist einfach so ein Übersättigungsfaktor. Ich denke, daß unsere Fans sicherlich auch wieder die alten Lieder hören wollen, aber die sollen sich auch mit den neuen auseinandersetzen. Wir spielen während einer Tour nicht gerade das neue Album, sondern von den ersten Tapeveröffentlichungen, über neue Stücke, bis zu Sachen, die noch nie veröffentlicht wurden; das ist wirklich so gemischt. Wir wählen auch nicht nach Bekanntheitsgrad aus, sondern nach Handlung, die wir gerade auf die Bühne transportieren wollen. Die Handlung ist zwar zum Teil sehr ähnlich, weil die Stücke doch alle in einem bestimmten Spektrum ablaufen, aber man kann doch viel machen. Man kann die Stücke im Traumbereich enden lassen oder mit dem Tod des Darstellers auf der Bühne wie bei "Der Weg", bei dem man durch ein Verbrechen dann auf dem elektrischen Stuhl endet. Es gibt da unwahrscheinlich viele Möglichkeiten. Es kommt immer darauf an, wie man die Stücke in Reihe setzt. Man kann die Stücke auch ganz unterschiedlich interpretieren. Ich habe früher Lieder anders interpretiert, als ich es heute tue."

Bei meiner letzten Frage, ob es noch irgendetwas gibt, daß er loswerden möchte, nickt Oswald : "Über das politische Engagement der schwarzen Szene, das eigentlich sehr kläglich ausfällt. Ich finde es ziemlich traurig, daß eine Gruppe wie Das Ich von Leuten attackiert wird, die musikalisch offen und textlich blind oder taub sind und dies von der Zillo unterstützt wird. Das ist traurig; gerade für diese Leute, weil sie die ersten wären, die in irgendwelche KZs wandern würden. Es gibt da den Ausspruch : "Die dümmsten Schafe wählen ihren Schlächter selbst aus.", so könnte man das rezitieren. Das höt sich jetzt vielleicht sehr hart an, aber ich weiß zu diesem Thema nichts anderes zu sagen. Deshalb haben wir auch hauptsächlich das Stück "Die Brut" komponiert und getextet. Wir haben auch schon selbst sehr negative Erfahrungen mit Rechtsradikalen gemacht. Wir wurden bei einem Konzert von Skins mit einer Schrotflinte beschossen und belagert. Ich bin gegen Gewalt. Ich bin eher der Typ, der redet. Allerdings kann man mit manchen Leuten nicht mehr reden, aber man kann ihnen doch verbal etwas mitteilen und das tue ich eben mit "Die Brut"." Vorsichtig nachgefragt, daß es auch sehr viele dieser Sorte gibt, die wahrscheinlich zu blöd sind, um das zu kapieren, sagt Oswald : "Egal, es ist für uns selbst wichtig, daß wir das Stück gemacht haben, um damit einen klaren Standpunkt zu beziehen. Wir sind jemand, der eine bestimmte Meinung vertritt und nicht verwischt, wie es eine andere Gruppe immer gerne tut." Die Rede ist hier von Death In June.

Darauf angesprochen, daß manche, mit einem besonders großen kahlen Hohlkörper auf dem Hals, auch einiges falsch interpretieren könnten, wenn da nicht dieses "schließlich die eigene Art" im Text auftauchen würde, antwortet Oswald, daß auch am Schluß der Satz "Auch Roehm war nur ein brutaler Schläger !" auftaucht oder generell sich die Glatzen wohl kaum selbst als "Die Brut" bezeichnen würden. Er gibt aber zu, daß man natürlich, wenn man will, alles falsch interpretieren kann.

"Andere Gruppen verwenden ungestraft das SS-Symbol auf ihren Covers." Auch hier spricht Oswald wieder von Death In June. "Wir haben sämtliche Hakenkreuze, die in diesen historischen Fotos vorhanden waren, durch Fragezeichen ersetzt, beziehungsweise wegretuschiert und ich denke, unser Cover zeigt auch sehr eindeutig, was wir davon halten. Vor allen Dingen die Rückseite. Ich meine, wenn man uns falsch verstehen will, dann sind das Leute, die anscheinend nicht die Intelligenz besitzen, um uns zu verstehen. Die halten wahrscheinlich auch die Böhzen Onklez für liebe Onkelz und das ist mir dann egal, was diese Leute denken, weil ich nicht jedem mundgerecht vorbereiten will, was er zu denken hat oder was nicht."

Die ersten drei Stücke auf "Die Brut" gehen ganz eindeutig gegen Gewalt. Im ersten Stück geht es um rechtsradikale Gewalt gegen Minderheiten und das zweite und dritte Stück befaßt sich mit Gewalt, die von der Obrigkeit befohlen wurde, ein Thema, das wir eigentlich imer wieder angeschnitten oder bearbeitet haben, wie auch schon bei "Zinnsoldaten" und bei "Stilleben"; eben diese bitterböse, sarkastische Beschreibung eines Schlachtfeldes als Gemälde, als Fotografie, wie auch immer oder vor dem Fernseher, das war der Hintergedanke hier. Es ist immer so schön steril vor dem Fernseher. Man riecht nicht den Geruch der Verwesung und man hört nicht das Weinen von kleinen Kindern oder muß die Kadaver von irgendwelchen gefallenen Soldaten beiseite räumen; deshalb auch dieser Titel. Und in "Krieg" wird das Geschehen eines Krieges gerafft aus der Perspektive eines Kindes gezeigt. Deshalb haben wir auch diese Kinderliedmelodie etwas verändert unterlegt. Ich glaube, das ist eines unserer bitterbösesten Lieder, die wir jemals gemacht haben, obwohl sich natürlich der eine oder andere darüber köstlich amüsieren beziehungsweise aufregen wird."


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